Project 23








Am Freitag, 17. Oktober bleibt space25 aufgrund eines privaten Anlasses geschlossen
Vernissage Fr. 3. 10. 2025, 17-20 Uhr
Finissage Fr. 21. 11. 2025, 17-20 Uhr
Artist Talk, Do. 30. 10 2025, 19 Uhr
Samstagsführung 11. 10. / 1. 11. 2025 15 Uhr
Im Project 23 treten drei unterschiedliche künstlerische Stimmen in Dialog. Yvo Hartmann übernimmt im Alltag vorgefundene Proportionen und Gegenstände und übersetzt sie in seinen Werken: Serielle Setzung, Rapport und minimale Abweichung lassen Raster flirren und lenken den Fokus auf die Konstruktion und bildimmanente Wiederholung. Von fotografischen Vorlagen bis zu imaginierten Welten, die Gemälde von Urs Aeschbach sind thematisch vielfältig. Intensive Farben und gestaffelte Pinselzüge erschaffen Bildräume, in denen Motive auftauchen, kippen und sich einer schnellen Lesart entziehen. Tobias Nussbaumers Zeichnungen kreisen um Zeitwahrnehmung, Imagination und Gedächtnis. Er verknüpft Erinnerungsfragmente mit algorithmisch gedachten Bildwelten und überführt sie in analoge Zeichnungen, die die vertrauten Vorstellungen von Zeit und Raum infrage stellen. Die Ausstellung bietet ein Spektrum von unterschiedlichen Techniken und Themen an, und lädt dazu ein den Blick zu schärfen und eine eigene Lesart zu entwickeln.

Estrich, 2010 Öl auf Leinwand 183 cm x 183 cm

A place for the homeless, 2022-23

Ein Freund, 2024 Öl auf Leinwand 62 cm x 38 cm

Bruderkuss, 2020 Öl auf Leinwand 25 cm x 50 cm


Estrich, 2010 Öl auf Leinwand 183 cm x 183 cm

A place for the homeless, 2022-23

Ein Freund, 2024 Öl auf Leinwand 62 cm x 38 cm

Bruderkuss, 2020 Öl auf Leinwand 25 cm x 50 cm

Urs Aeschbachs Malerei entsteht aus einem konsequent prozessualen Arbeiten am Bild. Ausgangspunkte sind oft gefundene Fotografien, die im Prozess verzerrt, gespiegelt und beschnitten werden, bis eine tragfähige malerische Ordnung sichtbar wird. Im Sinn des magischen Realismus – einer Kunst, die das Wirkliche nicht verlässt, sondern so verdichtet, dass es fremd zu leuchten beginnt – verschiebt Aeschbach die reale Welt durch rein malerische Mittel. Seine Bilder halten an glaubhaften Räumen fest und unterlaufen sie zugleich leise, indem er Sehgewohnheiten gezielt verschiebt: Warme Töne können zurücktreten, kalte nach vorn rücken. Auch die Formate arbeiten gegen die Konvention: Ein horizontal gedachtes Motiv wird ins Hochformat gezwungen; daraus erwächst eine neue Bildkomposition und die Bildordnung wird so neu justiert. So entstehen Bildräume, in denen Motive auftauchen und sich erneut dem Blick entziehen.
Aeschbach versteht Malen als einen langsamen, revidierenden Vorgang. Nicht der Maler bestimmt den Weg, «das Bild führt» meint er – Korrektur, Unterbrechung und Neubeginn sind Teil seiner Logik. So entsteht eine Malerei, die nicht illustriert, sondern im Tun Bedeutung formt. Motivisch sind die Werke von Aeschbach vielfältig: Natur- und Architekturmotive, Erinnerungen und politische Ereignisse lassen sich auf den Leinwänden finden. Die unterschiedlichen Themen bilden jedoch kein Programm, sondern dienen als eine Inspirationsquelle.
Über die Leinwand hinaus verfolgt er sein Interesse an Wahrnehmungsverschiebungen in den Spiegel-Anamorphosen: runde Kartonobjekte mit zentraler Spiegelfolie. Diese Objekte sind keine Abkehr von der Malerei, sondern eine Fortführung ihres Vokabulars – ein Experiment darüber, wie Bildordnung durch Material, Blickachse und Standpunkt entsteht und wie wenig es braucht, um zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion, Nähe und Distanz zu changieren. In diesen Arbeiten wird Sehen zur körperlichen Handlung.
Seine Werke laden zur langsamen Betrachtung ein: Schichten, Verschiebungen und oft intensive Farbgebung strukturieren die Bildflächen. Aeschbach befreit in seiner Malerei die Motive von ihrer Eindeutigkeit und ermöglicht eine freie Deutung. Ebenso spiegelt die Titelgebung diese Überlegungen wider: Früher trugen die Arbeiten blosse Massangaben; heute öffnen poetischere Benennungen die Lektüre, statt sie zu begrenzen. Titel werden nach dem Malen gefunden und fungieren als zweite Setzung: Wie die Motive selbst, sie rahmen, ohne zu determinieren.

Ticket Nr 5 2000 Stempeldruck (Ölfabrbe) 227.5 x 105 x 0.2 cm

ohne Titel 2025 Holzschnitt auf Japanpapier, je 196 x 93.7 cm



Ticket Nr 5 2000 Stempeldruck (Ölfabrbe) 227.5 x 105 x 0.2 cm

ohne Titel 2025 Holzschnitt auf Japanpapier, je 196 x 93.7 cm


Der Ausgangspunkt für viele Arbeiten von Yvo Hartmann sind oft im Alltag vorgefundene Proportionen und Baumaterialien. Er interessiert sich weniger für das erzählerische Motiv als die Konstruktion eines Werks: Ein Modul wird gesetzt, wiederholt, minimal verschoben; Ordnung entsteht aus Rapport und Differenz.
Für seine grossformatigen Drucke dienen gebrauchte Sägeplatten als Druckstock. Die Platten weisen Gebrauchsspuren auf, die Hartmann nicht verändert, sondern als Bildmotiv verwendet. So werden die Zeitspuren sichtbar gemacht. Die Farbe wird von Hand satt aufgetragen und mit Druck über den ganzen Bogen gearbeitet, bis sie tief in die Papierfasern eindringt. Dadurch trägt das Blatt die Setzung auf beiden Seiten: Die Vorderseite zeigt die unmittelbare Druckspur, die Rückseite erscheint als nahezu gleichwertige Gegenansicht.
Hartmanns Formate kommen aus gebrauchten, vertrauten Masssystemen. Paradigmatisch ist ein eigens gefertigter Stempel im Format eines Pariser Métro-Tickets: In vielfach wiederholter Setzung wachsen daraus grossformatige, monochromatische Felder. Da jeder Abdruck neu eingefärbt wird, bleibt er ein Unikat; Wiederholung wird hier zur Methode der Differenz.
Seine Arbeiten mit dem Acrylglas erweitern seine Praxis um eine Licht-Materialität: Transparenz und farbige Ebenen verwandeln Überlagerungen in Mischfarben und verschieben die Wahrnehmung je nach Blick und Licht. Zusätzlich binden sie den Raum und die Betrachter:innen aktiv ein: Spiegelungen holen das Umfeld ins Bild zurück, farbige Schichten färben Reflexe ein. Insgesamt zeigt Hartmann, dass Material nicht illustriert, sondern konstituiert.
Seine raumbezogenen Arbeiten entstehen situativ: Eck- und Stapelobjekte werden vor Ort justiert, verschieben Blickachsen und legen neue Raumkanten frei: Eine «vorgezogene» Ecke macht die ursprüngliche über Öffnungen weiterhin präsent – ein präzises Spiel mit Wahrnehmung, in dem Architektur zum Resonanzkörper der Form wird.
Kunsthistorisch zeigt Hartmann Nähe zu Minimal Art. Seine Werke sind stark reduziert, sie widersprechen jedoch einer glättenden Perfektion. Seine künstlerische Handschrift bleibt als präzise Abweichung sichtbar: Abrieb, minimale Versätze und Überlagerungen sind keine Fehler, sondern Bedeutungsträger. So entsteht eine nüchterne, zugleich poetische Sprache der Konstruktion, in der Mass, Materialspur und kontrollierte Differenz den Bildraum entfalten.

The 2020s 2024, black pencil and ink on paper 76 x 170cm

Study for Memories of a Network 2, 2022, black pencil 49 x 110cm

Customized Seclusion 2019, black pencil and ink on paper 39 x 24.5cm

The 2020s 2024, black pencil and ink on paper 76 x 170cm

Study for Memories of a Network 2, 2022, black pencil 49 x 110cm

Customized Seclusion 2019, black pencil and ink on paper 39 x 24.5cm
Tobias Nussbaumer zeichnet Räume des Erinnerns. Aus kleinen Fragmenten – Bildern, Begriffen, Erinnerungen – baut er oft zuerst virtuelle Modelle, die er als präzise, handgeführte Schwarz-Weiss-Zeichnungen auf Papier überträgt. Seine Praxis verschaltet analoge Spur und digitale Modellierung: Mit 3-D-Designsoftware werden Räume hergestellt, reduziert und verändert. Sie dienen dann als Inspiration für die Zeichnungen. Parallel in diesen Prozessen untersucht Nussbaumer, wie algorithmische Systeme – bis hin zu maschinellem Lernen – Erinnerungsprozesse formen, schichten und scheitern lassen.
Seine Zeichnungen erinnern an Traditionslinien der Architekturzeichnung – von der Renaissance-Perspektive über visionäre Raumphantasien bis zur Op-Art-Erfahrung des oszillierenden Sehens. In seinen Zeichnungen spannen axonometrische Anspielungen, gekippte Horizonte und mehrfach gesetzte Fluchtlinien einen Bildraum auf. Charakteristisch in seinen Zeichnungen ist die Gleichwertigkeit von Volumen und Leere: In den Zeichnungen werden negative Räume zu eigentlichen Akteuren, diese steuern die Blickzirkulation und öffnen gedankliche Nebenräume des Bildes. Dabei fungiert die Lichtführung in den Werken als ein konstruktives Element.
Zentral ist die zeitliche Erfahrung der Betrachtung. Diese Bilder lassen sich nicht in einem Blick erfassen – sie entfalten sich sequentiell. Motive tauchen auf, kippen, lösen sich, verdichten sich erneut. Diese Verzögerung schärft den Blick und lädt zu einer langsamen, aktiven Lektüre ein. Damit wird die Grundfrage der Arbeiten erfahrbar: Erinnerung ist kein geschlossenes Narrativ, sondern ein Mosaik aus kleinen Stücken – Partikel des Erlebten und Gedachten –, die sich immer wieder neu ordnen.